Eine notwendige Verjüngungskur zu Ehren von Robert Schuman

Was Robert Schuman, der vor genau 60 Jahren von uns gegangen ist, 1950 tat, war wahnsinnig kühn. Die Europäer zu versöhnen, verhalf ihnen damals dazu, in der Geschichte zu verbleiben. Der Wiederaufbau des Kontinents war nur möglich, indem man Grenzen abschaffte und unerschütterliche Solidarität schuf.

Angesichts neuer Herausforderungen, eines internationalen Raumes im Umbruch, einer grenzenlosen technologischen Revolution, neuartiger Bestrebungen der Völker, aber auch der Rückkehr des Krieges und der Selbstgefälligkeit von Diktaturen, einer Bevölkerungsexplosion im Süden und ökologischen Erfordernissen, begann Europa, sich zu verändern.

Der Kontinent hat sich bereit erklärt, gemeinsam Kredite aufzunehmen, eine Industriepolitik zu entwickeln, die man sich bislang verbeten hatte, und eine uneigennützige Solidarität zwischen seinen Mitgliedern auszuüben. Nach und nach, mit Verzögerungen und Schwierigkeiten, lernt man, was Autonomie im Denken und Handeln sein könnte.

Der strategische Bruch, den die Gründung der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit bedeutete, wird jedoch noch nicht wahrgenommen. Wenige Monate vor den Europawahlen muss die Union, die wirtschaftlich gegenüber ihrem großen Verbündeten Amerika an Boden verloren hat, die sich auf überholte Konzepte und einen einst notwendigen, nun aber schädlichen Währungs- und Finanzkonservatismus versteift, eine Revolution vollziehen und sich für eine Politik des Mutes, der Kühnheit und der Risikobereitschaft entscheiden.

Europa muss massiv und überall investieren und Disziplinen aufgeben, die der EU den ersten Platz in der Welt bezüglich des Einkommens gekostet haben. Man muss einen zweiten Anlauf unternehmen, indem die EU auf ihren immensen Errungenschaften aufbaut. Sie wird auf allen Kontinenten mit ihrer politischen und kulturellen Aura und ihrem diplomatischen Know-how erwartet.

Nur so kann Europa seinen herausragenden Platz im internationalen Raum bewahren und dem Wagemut seiner Gründerväter treu bleiben.