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Der Wendepunkt der NATO

Joe Biden wollte in Europa das Kapitel Trump beenden. Der Präsident tat alles, um die Europäer zu überzeugen, sowohl in Brüssel als auch bei einer Reihe von bilateralen Treffen, die von einem ruhigen und versöhnlichen Ton geprägt waren. Die traditionelle Rolle des Führers der freien Welt, die amerikanische Präsidenten gerne einnehmen, schwebte über einer fast triumphalen Reise. Er zollte der Europäischen Union Anerkennung, stellte das Thema der Handelsstreitigkeiten hinten an und konnte die Worte sagen, auf die alle gehofft hatten, indem er insbesondere die Klausel der gegenseitigen Verteidigung in Artikel 5 der Atlantik-Charta bekräftigte. Er demonstrierte eine gute und fein abgestimmte Vorbereitung auf die Reise, etwas was er seinem Außenminister Antony Blinken zu verdanken hat.

Sein Treffen in Genf mit dem russischen Präsidenten ermöglichte es Biden, auf sehr konkrete und pragmatische Weise, den unaufhörlichen Provokationen des Kremls, insbesondere im Cyberspace, klare Grenzen zu setzen.

Der vorangegangene NATO-Gipfel war der Anlass für einige bemerkenswerte Entwicklungen. In einem 79 Paragraphen (!) umfassenden Kommuniqué wurden die Positionen des Bündnisses zu allen wichtigen internationalen politischen Fragen, von Nordkorea bis Lateinamerika, dargelegt. Dies ist, wie wir wissen, ein üblicher Versuch, den Kompetenzbereich der Organisation zu erweitern. Dadurch haben die Europäer de facto begonnen, sich in Asien zu engagieren. Einige Staaten sind bereits vor Ort präsent, wie Frankreich, das mit seinen Überseegebieten an den Pazifik grenzt. Im Namen der Freiheit der Schifffahrt kreuzen sie zusammen mit den Briten über diese Meere; andere zeigten sich empfänglicher für Washingtons Politik gegenüber China, sobald diese Länder sich des amerikanischen Schutzes in Europa sicher waren.

Im Namen des Kampfes für die Freiheit geht Amerika das Risiko ein, die Erinnerungen an den Kalten Krieg wieder aufleben zu lassen. In seinem Bestreben, den weltweiten Führungsanspruch aufrechtzuerhalten, ist es verständlich, dass diese Politik für lange Zeit die Politik jeder amerikanischen Administration sein wird.

Die Europäer werden sich daher gegenüber China sehr schnell in einem brutalen Dilemma wiederfinden: Sollen die Werte, die sie verkörpern, hinter den kommerziellen Interessen anstehen, oder soll das Bekenntnis zu Freiheiten Vorrang vor den aktuellen Profiten haben?

Die Europäische Union ist zunehmend entschlossen, autokratischen Regimen entgegenzutreten und hat im Dezember 2020 ein neues Sanktionsinstrument verabschiedet, um ihre Auffassung von den Menschenrechten zu fördern.

Die Entwicklung der chinesischen Politik lässt der Union vermutlich keine große Wahl. Die Unterdrückung in Tibet, Xinjiang und Hongkong, die Missachtung des Völkerrechts in der ehemaligen britischen Kolonie sowie im Chinesischen Meer, die Haltung im Sicherheitsrat, wo China in der Regel mit Russland stimmt, seine Ambitionen in Afrika, die vor Ort nicht sehr geschätzt werden und seine verdächtigen militärischen Anmaßungen machen China, das immer noch ein kommunistisches Land ist, zu einem ideologischen Gegner, dessen Beziehungen zu Europa sich nur verschlechtern können.

In Asien bleiben die Verbündeten der Europäer Japan, Indien, Australien, Südkorea und Vietnam, genauso wie die Amerikaner! 

Wenn China weiterhin das Völkerrecht nicht respektiert und die Grundlagen der universellen Rechte in Frage stellt, während es den Anspruch erhebt, die Welt zu führen, werden die Europäer nicht lange selbstgefällig bleiben können und weiterhin mit der größten verbleibenden Diktatur der Welt Handel treiben. Sie werden keine andere Wahl haben, als sich mit den großen Demokratien zusammenzuschließen, um ein Konzept der Freiheit zu verteidigen, nach dem jeder Mensch strebt, um das Modell der Rechtsstaatlichkeit zu fördern, das Gegenteil der Diktatur einer Minderheit. Dies wird der Triumph der NATO sein.
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