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Europa: 2021, das deutsche Jahr

Während der Europäische Rat gerade seinen Wunsch bekräftigt hat, eine "Sicherheitsunion" aufzubauen, und damit neue Ziele für den Aufbau Europas gesetzt hat, die bereits durch die Gesundheitskrise in Frage gestellt wurden, wird der Wahlkalender 2021 weitgehend die Entwicklung der gemeinsamen Politik bestimmen. Dies gilt insbesondere für die deutsche Bundestagswahl.

Innerhalb der Union und ihrer Institutionen hat Deutschland ein großes Gewicht. Wichtige Landtagswahlen finden am 14. März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz statt. In Sachsen-Anhalt wird am 6. Juni gewählt und in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin finden am 26. September, zeitgleich mit der Bundestagswahl, ebenfalls Wahlen statt.

Angela Merkel gab bereits ihre Entscheidung bekannt, sich nicht zur Wiederwahl zu stellen. Damit wird ein neues politisches Kapitel in Europas führender Wirtschaft eingeläutet. Dieses neue Kapitel ist voller Ungewissheiten. Über die Nachfolgekoalition des derzeitigen CDU/CSU-SPD-Regierungsbündnisses und über die Ausrichtung der neuen Regierung bestehen vielerlei Sorgen. Viele der Antworten auf die aktuellen europäischen Herausforderungen werden von der neuen politischen Führung abhängen.

Deutschland zögerte nicht, seine Grenzen zu schließen, um sich vor Covid-19 zu schützen, was dem Land letztendlich trotzdem nicht besser gelang als anderen.

In Berlin träumt man eher von einem stärkeren amerikanischen Einfluss in Europa durch Joe Biden als von strategischer Autonomie, wie es von Emmanuel Macron verkündet wurde.

Deutschland erweckt den Eindruck, dass es die in der Verteidigung genehmigten deutsch-französischen Projekte in Frage stellt, weil man nicht in der Führungsrolle ist oder weil sie "zu französisch" wären.

Und obwohl die Deutschen sich nie wirklich die Mühe gemacht haben, ihre Partner zu konsultieren, als sie zum Beispiel plötzlich und einseitig aus der Atomkraft ausstiegen, haben sie sich, wie viele andere auch, sehr auf sich selbst und ihre unmittelbaren Interessen zurückgezogen.

Aufgrund Deutschlands Geschichte und seines Grundgesetzes sind die Entscheidungsprozesse merkwürdigerweise nicht ideal gestaltet, um dauerhaft für die Stabilität zu garantieren, die für die europäische Zusammenarbeit notwendig ist, zum Beispiel durch einen sehr mächtigen Bundestag und einen äußerst souveränen Verfassungsgerichtshof.

Das Land ist heute "nationaler" als viele seiner Partner und weniger europäisch als in der Vergangenheit.

Wird das Deutschland, das aus all diesen Wahlen hervorgehen wird, seine besondere Beziehung zu Frankreich bestätigen?

Wird man dem Weg von Angela Merkel folgen, die die notwendigen europäischen Schritte unternahm, indem sie sich überwinden konnte, das Tabu einer gemeinsamen Verschuldung zu akzeptieren, um auf die schwere Wirtschafts- und Finanzkrise zu reagieren, die aus den Gesundheitsmaßnahmen resultierte? 

Wird man ihre Akzeptanz für ein stärkeres und unabhängigeres Europa bestätigen, wie es Frankreich vorgemacht hat und wie es die deutschen Bürger zu akzeptieren scheinen, aber die Entscheidungsträger auf höchster Ebene fürchten?

Wird man in der Lage sein, diesen Leitlinien konkrete Maßnahmen folgen zu lassen, insbesondere im Hinblick auf die Verteidigungskapazitäten und gemeinsame militärische Projekte, die derzeit von deutschen Industriellen in Frage gestellt werden, die mehr am Geschäft als an einer globalen Vision interessiert sind?

Wird man sich endlich für eine europäische Außenpolitik aussprechen? 

Von Deutschland hängen viele Antworten ab, die die Zukunft Europas betreffen, denn ohne eine enge und starke Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland ist auf dem Kontinent nichts möglich. Mit einer ambitionierten Vision für den europäischen Platz in der Welt wird alles möglich.
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