Europa auf dem Ball der Diktatoren
Der 6. Januar 2021 wird als ein trauriger Moment in die amerikanische Geschichte eingehen. Ein Tag an dem der Präsident, der die Wahl seines Nachfolgers nicht akzeptiert, seine Anhänger erfolgreich zur Übernahme des Parlaments aufstachelte. Den Aufruhr, den er damit auslöste, spielte den so zahlreichen Diktatoren dieser Welt in die Hände. Sie haben gescherzt und sich lustig gemacht, aber in Wirklichkeit waren sie begeistert. Die Iraner und die Russen sahen darin einen Beweis für das Versagen der Demokratien und den Niedergang des Westens, und die Chinesen sahen eine Parallele zu Hongkong, das sie unter Verletzung ihrer Verpflichtungen versklaven, aber in Wirklichkeit sahen sie darin einen Grund mehr, die Minderheitsdiktatur der Kommunistischen Partei zu befürworten.
Trump hat gerne mit Diktatoren geflirtet. Sie bedanken es ihm gut. Daraus schließen Afrika, Asien und die Türkei, dass diejenige Nation, welche Freiheit und Demokratie verkörpert hat, ihnen keine Lektion mehr zu erteilen hat, was für die Sache der Freiheitsverteidigung zutiefst bedauerlich ist. Hoffen wir außerdem, dass die neue amerikanische Regierung diesen unwürdigen Präsidenten sanktioniert und ihn so daran hindert, das amerikanische Volk weiter zu radikalisieren und zu spalten. Denn es ist mehr als ein Mythos oder ein Land, das in Frage gestellt wird, es ist die Universalität der Prinzipien der Freiheit und der Achtung der menschlichen Person, auf der wir unsere Gesellschaften gegründet haben und die wir immer noch für uns beanspruchen und sogar anderen nahebringen, die auf dem Spiel steht.
Im Namen der Effizienz und des relativen Wertes des Individuums preisen Autokraten ihr Modell im Vergleich zu dem der Demokratien an. Sie entscheiden schnell, oft sogar zu schnell; Sie treffen Entscheidungen schamlos und ohne Rücksicht auf menschliche Kosten, wie es die 80 Millionen Opfer des chinesischen Kommunismus bezeugen. Und doch treffen ihre Argumente manchmal sogar innerhalb unserer Gesellschaften auf offene Ohren. Für unsere Staaten, insbesondere im Kontext der Pandemie, für die Europäische Union in dieser Zeit der Umgestaltung der internationalen Beziehungen, ist die Herausforderung der Effizienz von größter Bedeutung. Sie konditioniert das Gefühl der Zugehörigkeit, ohne den Stolz der Zugehörigkeit zu einer freien, friedlichen, organisierten und kollektiv wirksamen politischen Gesellschaft auch nur zu erwähnen.
Es ist die Abwertung ganzer Teile der amerikanischen Gesellschaft, die den idiotischsten und extremsten Verschwörungen Tür und Tor geöffnet hat; Es ist das Gefühl der Verlassenheit, das die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich genährt hat; Es ist die Überforderung im Angesicht von Pandemien, die die deutsche extreme Rechte aufbegehren lässt. Es sind die Auswirkungen des unglaublichen technologischen Fortschritts, der viele Bevölkerungsgruppen an den Rand gedrängt hat. Es ist die Unwirksamkeit alter, überholter politischer Prozesse, welche Bürger in schwierigen Situationen verzweifeln lässt und fast überall Gewalt erzeugt.
Die Repression war in Diktaturen unmittelbar und rücksichtslos: in Russland, China, der Türkei. In unseren Demokratien ist es schwieriger, schnell und effektiv darauf zu reagieren.
Die Erstürmung des Kapitols, welche nach Jahren des Wiederaufflammen des amerikanischen Nationalismus zu Stande kam, platziert Europa nun an die vorderste Front in der Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit.
Die europäischen Verträge und die Charta der Grundrechte, aber auch die zahlreichen Konventionen des Europarates, sind die umfassendste Definition einer modernen Demokratie. Die Achtung der menschlichen Person, die Gleichheit, die Menschenrechte, die Parität, die Nichtdiskriminierung, der Schutz der Schwächsten und der Minderheiten sind zu rechtlichen Verpflichtungen geworden, die von supranationalen Gerichtshöfen überwacht werden und deren Entscheidungen direkt anwendbar sind. Europa schützt also mehr, als gesagt wird, denn es schützt vor Missbrauch durch Staaten, auch durch die eigenen.
Lassen wir die Diktatoren der Welt nicht auf den Schwierigkeiten unserer Demokratien herumtanzen. Sie sind unsere Feinde im wesentlichen Kampf um die Menschenwürde. Aber übernehmen wir die Rolle des demokratischsten Kontinents und gewinnen so die Herausforderung der Effizienz! Dann wird Europa in den Augen der Welt als das erscheinen, was es ist: ein Beispiel für Freiheit und Fortschritt! Ein Beispiel eher als ein Exportmodell! So werden wir die Förderung unserer Werte am besten durchsetzen und organisieren. Vielleicht finden auch unsere Bürger darin endlich einen Grund, stolz zu sein…