Dennoch ist es in der Tat die Angst, die dazu geführt hat, dass die Hälfte der Menschheit mit Ausgangsbeschränkungen belegt wurde. Eine Zeit lang hat ganz Europa diesen Ansatz verfolgt. Aber war dieser einheitlich, und wird dieser in der Art und Weise wirklich weiterhin einheitlich bleiben, wenn man versucht, aus der Krise heraus zu kommen?
Italien war das erste Land, das die chinesische Methode übernahm, da man über das Ausmaß der Ansteckungen, die die Lombardei heimgesucht hatten, erschrocken war. Im Anschluss wurden die Maßnahmen auf das gesamte Territorium übertragen und man zeigte damit eine ungeahnte Vorliebe für einen Zentralismus, den das Reich der Mitte nicht einmal zu übernehmen wagte.
Bald darauf folgten Frankreich, Spanien und dann viele andere, mit unglaublich strengen Beschränkungen. Seit dem "Schwarzen Tod" (1346) und der "Pest von Marseille" (1720), die sich nachhaltig auf die europäische Demographie auswirkten, war die Praxis der "Gesundheitskarten" und Gesundheitspässe nicht mehr in Gebrauch. Im Moment tauchen diese wieder auf.
Aber nicht alle EU-Mitgliedsstaaten reagierten in gleicher Weise. Während fast alle den sinnlosen Rückzug ins Nationale angetreten haben, unterscheiden sich die Wege, die sie, in Ermangelung eines gemeinsamen europäischen Schirmes, beschritten haben. Die Reaktionen waren, je nach Grad des Vertrauens in die Machthaber, der Effizienz des Staatsapparates und dem Grad des sozialen und politischen Konsenses, unterschiedlich.
Länder, die versuchten, Vertrauen aufzubauen, haben zu einer Transparenzinitiative aufgerufen und damit die Angst der Bürger, die von früh bis spät von Statistiken über Todesfälle eingelullt werden, gefährlich verstärkt. Darüber hinaus haben sie sich auf Wissenschaftler verlassen, die nicht aufgehört haben, sich gegenseitig zu zerfleischen, um zu beschreiben, wie man ein Virus bekämpft, von dem sie nichts wissen. Schließlich zeigte man, dass man mit strengen Zwangsmaßnahmen handelt, über die die Parlamente nicht wirklich beraten haben, was die Unzufriedenheit und die Sorge um die Freiheiten noch verstärkt hat.
Mitgliedstaaten, in denen die öffentliche Politik reibungsloser funktioniert, waren sowohl bescheidener, weniger lautstark als auch viel effektiver. In diesen Ländern betrifft das öffentliche Handeln in der Regel a priori den öffentlichen und den privaten Sektor, die sich gegenseitig unterstützen. Man organisiert einen gesunden Wettbewerb, auch im Gesundheitssektor. Man fürchtet die Debatte zwischen zentralen und dezentralen Behörden nicht. Dabei handelt es sich um Staatsformen, in denen die Macht freiwillig geteilt wird, und zwar systematisch sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene.
Das Ergebnis dessen ist in Krisenzeiten sehr positiv. Diese Gesellschaften sind friedlicher, wollen Konflikte vermeiden und streben stets nach Konsens. Ihr relativer sozialer und politischer Frieden wird dann zu einem wertvollen Gut.
Diese Qualitäten und Mängel haben jedoch nichts mit einem Nord-Süd- oder Ost-West- Unterschied in Europa zu tun. Sie haben mit den Institutionen der einzelnen Länder zu tun, mit ihren Traditionen, aber auch mit der Modernität ihrer politischen Debatten. Diese Unterschiede haben Europa wieder einmal in ein schlechtes Licht gerückt, wobei Einheit und Solidarität wenig betont werden.
Um Krisen dieser Art zu begegnen, wären die Europäer gut beraten, zwei Blickwinkel einzunehmen. Die nationalen Unterschiede haben gezeigt, dass unsere Regierungen nicht mehr in der Lage sind, diesen Ängsten dauerhaft allein zu begegnen. Der ungeordnete Ausstieg aus den Beschränkungen wird zusätzlich zu einer Wirtschaftskrise, die durch nationale Reaktionen auf die Angst verursacht wird, einen weiteren Preis haben. Angst der Machthaber kritisiert oder gar verurteilt zu werden, Angst des Volkes, infiziert zu werden.
Einige haben Freiheiten in einem Ausmaß begrenzt, von dem viele totalitäre Regime träumen würden, Parlamente in den Schatten gestellt, die Möglichkeit der Bewegungsfreiheit eingeschränkt, das soziale Leben unterbrochen, die wirtschaftlichen Tätigkeiten eingestellt. Für andere, die mehr durch ihre Geschichte, ihre Verfassungen und ihre Gesetze eingeschränkt sind, war der Druck durch die Angst nicht geringer; dieser hat sie dazu gebracht, Grenzen zu schließen und einen quasi-nationalistischen Diskurs zu pflegen, von dem sie wissen, dass er ihren Interessen zuwiderläuft.
Dennoch haben die europäischen Demokratien stets die individuellen Freiheiten, die Teil ihrer Identität sind, begünstigt und garantiert. Gemeinsam können sie eine ruhigere und vernünftigere Macht sein, die in der Lage ist, im großen Spiel der um die Vorherrschaft kämpfenden Akteure, eine starke Stimme zu sein.
Ein gemeinsames Handeln auf europäischer Ebene mit den gemeinsamen Institutionen und im direkten Kontakt mit den Bürgern, hätte diese leichter von der Angst befreit und es den Staaten ermöglicht, wahrscheinlich effektiver, vor allem aber mit größerer Zurückhaltung zu handeln. Die Bürgerinnen und Bürger hätten dann mehr Eigenverantwortung für diesen Politikbereich übernehmen können, dessen Haupttugend es bleiben muss, keines seiner Prinzipien Ängsten und Phantasien auszuliefern.