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Der Brexit, eine Probe für den Nationalismus

Mit der absoluten Mehrheit für die Konservative Partei von Boris Johnson im britischen Parlament bestätigten die Briten ihr Votum vom 23. Juni 2016 für den Austritt aus der Europäischen Union. Dieser wird am 31. Januar nächsten Jahres stattfinden.

Dies kann man als eine Amputation für Europa und eine Fehleinschätzung für Großbritannien betrachten, und diese Entscheidung ist viel mehr als das; sie ist ein grundlegender demokratischer Test: Ist eine Rückkehr zur „Nation“ die Lösung?

Das Hauptargument der Brexiters war in der Tat, im Namen der Souveränität, die notwendigerweise national ist, die Kontrolle über ihr Schicksal "zurückzuerlangen".


Zu Beginn des unruhigen 21. Jahrhunderts suchen die Völker Halt in ihrer Identität und in ihren Wurzeln. Sie suchen Zuflucht vor dem Schwindel und den Unsicherheiten der Welt. Sie wenden sich dem zu, was ihnen am vertrautesten ist, die Familie, die Gemeinde, die Region oder die Nation.

Viele Politiker haben es gut verstanden, die Nation zu etwas zu idealisieren, das, in Ihren Augen, allein in der Lage ist, die leidenschaftlichen Impulse zu geben, die die Vernunft nicht mehr zulässt, und so ein wenig die Ängste ihrer Mitbürger abzubauen. Trump, Putin, Erdogan, Xi und viele andere... Hinter ihrem Populismus steht in der Tat die Rückkehr des Nationalismus.


Die eigentliche Frage, die die Brexit-Verantwortlichen erwartet, ist folgende: Werden sie in der Lage sein, die hohen Erwartungen der Briten zu erfüllen, die sie selbst geschürt haben?


Ist der von ihnen verherrlichte Nationalstaat allein noch in der Lage, die Forderungen seiner Wähler nach Sicherheit und Wohlstand, die wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnisse des Landes und ganz einfach das allgemeine Interesse des Königreichs zu erfüllen? Oder erfordern die Komplexität der zu lösenden Fragen, die Interdependenz von Wirtschaft und Gesellschaft, die außergewöhnliche Mobilität von Menschen und Gütern eine immer engere Zusammenarbeit, supranationale Regelungen, multilaterale Organisationen?


In philosophischen Debatten über die politische Organisation von Gesellschaften im 19. Jahrhundert theoretisierte Ernest Renan, ein französischer Philologe, dass die Nation "eine Seele, ein spirituelles Prinzip, (....), ein kollektiver Lebenswillen“ sei, der sich nicht auf Rasse, Religion oder Geographie beschränken könne. Er sagte auch: 


„Die Nationen sind nichts Ewiges. Sie haben einmal angefangen, sie werden enden. Die europäische Konföderation wird sie wahrscheinlich ablösen“


Dieses Zitat stammt von 1882.


Der Wille zur Europäischen Union basiert darauf, dass die Identitäten bewahrt werden, indem die EU den Nationalstaaten erlaubt, ihre Vorrechte durch enge Zusammenarbeit und den Beginn der Gegenseitigkeit weiterhin wahrzunehmen. Boris Johnson zog es vor, dem Nationalismus zu schmeicheln, der in jedem Europäer schlummert und auch über den Kanal hinweg eine wahre Nostalgie nährt. Er muss jetzt zeigen, dass es nicht nur Demagogie war. Vor allem den Schotten…

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