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Europa: Die Verantwortung der Mitgliedstaaten

 Sechs Monate nach den Wahlen sind die europäischen Institutionen arbeitsfähig. Das Parlament und die Kommission haben ihre Prioritäten und ihr Engagement erklärt, um die hohen Erwartungen der Europäer zu erfüllen. Aber was ist mit den Mitgliedstaaten?

Werden sie, gelähmt durch schwierige innenpolitische Situationen, aufmerksamer und ängstlicher denn je, die Chance einer positiven öffentlichen Meinung nutzen können, die wirksame Lösungen für ihre Probleme sucht? Alle Studien zeigen, dass die Bevölkerung für echte Umbrüche, d.h. gemeinsame Aktionen, bereit ist. 

Es ist an der Zeit, dass die Regierungen aufhören, die Diplomatie mit der Führung europäischer Angelegenheiten zu betrauen, die die reinste und edelste der Politikform ist. 

Die Europäische Union ist in eine neue Phase ihrer Entwicklung eingetreten. Es geht nicht mehr darum, dass man sich länderübergreifend austauscht. Dies ist geschehen, auch wenn noch viel zu tun ist. Es geht darum, die EU an der richtigen Position zu platzieren, die ihrem politischen Gewicht entspricht, um sich in einer Welt, die sich im Aufruhr befindet, durchzusetzen. Und das kann nicht ohne den starken Willen der Mitgliedstaaten geschehen. Nun ist dies keine ausschließlich technische Frage mehr, es ist Politik!

Mindestens drei Bereiche verdienen ein starkes Engagement der nationalen Regierungen.

Sicherheit und Verteidigung. Sie müssen ihre Entschlossenheit zeigen, den Kontinent zu verteidigen, auch in der Ferne, in der unsere Interessen auf dem Spiel stehen. Das wissen unsere Soldaten, die oft schon vor Ort zusammenarbeiten und unter einem Mangel an politischer Solidarität auf höchster Ebene leiden.

Investitionen in die Zukunftstechnologien erfordern ein ehrgeiziges gemeinsames Budget und keine Pfennigfuchserei. Wir müssen Risiken eingehen, nicht um zu versuchen, das aufzuholen, was wir verpasst haben, sondern um die Technologien von morgen in den Bereichen Computer, Raumfahrt, Maritimes und künstliche Intelligenz vorwegzunehmen. Hier geht es um unsere Jobs.

Die Wirtschafts- und Währungspolitik erfordert eine echte kontinentale Union der Kapitalmärkte, der Bankregeln und der Sparpolitik, die die Finanzierungsquelle für unsere Investitionen darstellt. Es bedarf einer vollständigen Überprüfung und wahrscheinlich einer Bündelung unserer Stärken und Schwächen. Der notwendige Respekt vor den Disziplinen hat nie gereicht, um eine Politik durchzusetzen, und einen großen Umbruch hätte dieses Feld verdient.

Vielleicht sind es unsere Mitgliedstaaten, die sich in einem Zustand des "europäischen Hirntods" befinden. Sie glänzen nicht mit ihrer Kühnheit oder Fantasie!

Die neue europäische Legislaturperiode, die nun beginnt, wird für nichts anderes in Erinnerung bleiben als Grabenkämpfe und kleine Ärgernisse, wenn eine starke Ambition, die von einigen Mitgliedstaaten geteilt, von ihnen unterstützt und angenommen wird, nicht vorhanden ist. Dies wird geschehen , wenn die europäischen Gemeinschaft nicht die Möglichkeit ergreift, all ihre Energie für die Zukunft zu mobilisieren.

Wir erwarten daher von unseren Regierungen, dass sie ein Beispiel für eine konkrete Zusammenarbeit geben. Jede Initiative von mindestens zwei Staaten, die ihre Ressourcen in einem europäischen Geist teilen, der für andere offen ist, um diese Probleme anzugehen, wird eine notwendige Bewegung auslösen. Man muss mit gutem Beispiel vorangehen, und das europäische Projekt wird dadurch in Bewegung gebracht werden. Andernfalls könnte es zu einer langen Durststrecke kommen.
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