Die Bundestagswahlen am 24. September sind wichtiger, als man denken mag. Jedoch nicht für innenpolitische Fragen Deutschlands. Diese Fragen muss Angela Merkel nur klären, um einen Koalitionspartner zu finden und weiter regieren zu können.
Doch trotz der guten Gesamtlage muss sich Deutschland neuen Aufgaben stellen. Diese Herausforderungen waren in der bisherigen Wahlkampfphase jedoch recht abwesend. Bisher wird das Buhlen um die Gunst der Wähler mit wenig Biss geführt und es scheint, als wäre man sich über die großen Fragen einig. Diese bundesdeutsche Einigkeit wird nur von der extremen Rechten durchbrochen.
Während der zweiten Hälfte des 20. Jhd. musste sich das wichtigste Land der Europäischen Union einigen riesigen Herausforderungen stellen: der demokratische, politische und ökonomische Wiederaufbau nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges und der Zeit des Nationalsozialismus. Die zweite Prüfung war die Wiedervereinigung 1990. All diese Ereignisse waren grundlegende Veränderungen für das Land. Natürlich waren die Kosten für diese Kraftanstrengungen enorm, aber sie wurden gemeistert. Daraus entstand eine politische Stabilität, die ihres gleichen sucht. Im Vergleich mit anderen Staaten wurden die Umwälzungen langsam vollzogen und nicht mit einem Schlag, wie es in vielen Nachbarländern Deutschlands der Fall war. Deutsche mögen Stabilität, Kontinuität und den Konsens. Angela Merkel ist in der Lage, genau das anzubieten. In Kombination mit einer stabilen Wirtschaft kann sie es sich erlauben, große Gelassenheit zur Schau zu stellen.
In der Gegenwart ist Deutschland jedoch mit Veränderungen konfrontiert, die nicht von innen, sondern von außen an das Land herangetragen werden. Die geopolitischen Veränderungen, die im Gange sind, stören die traditionelle Ostbindung der Bundesrepublik. Ebenso ist das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten angespannt. Putin und Trump sind oftmals anderer Ansicht als Deutschland und es ist kompliziert geworden, sich auf gemeinsame Standpunkte zu einigen. Eine brutale Veränderung! Des Weiteren hat der Brexit dazu geführt, dass nur noch die deutsch-französische Partnerschaft eine große und verlässliche Achse für die EU bildet. Natürlich ist dieses Bündnis solide, aber es kommt immer wieder zu Grundsatzdebatten bei den Themen Finanzen und Wirtschaft.
Der Terrorismus, die Flüchtlingswelle und die Immigration sind Themen und Herausforderungen, die eine zutiefst pazifistische Gesellschaft an sich selbst zweifeln lassen. Deutschland hat sich seit 1945 immer darum bemüht, Gewalt in internationalen Beziehungen nicht als Mittel einzusetzen, um seine Sichtweisen durchzusetzen. Die Herausforderung durch den radikalen Islam, den Nationalismus und viele weitere brutale Entwicklungen der Gegenwart, erschweren zunehmend diesen Verzicht auf militärische Mittel. Die deutsche Gesellschaft führt diese Debatten sehr ungern und versucht, sie gar zu vermeiden. Selbst in Deutschland haben sich tiefgreifende Veränderungen vollzogen. Die Industrie, im besonderen die Autobauer, haben ihren Status der Unfehlbarkeit verloren, die Überalterung der Bevölkerung wird mehr und mehr zum Problem, die überaus freundliche und offene Politik gegenüber Flüchtlingen wird zunehmend als Fehler angesehen. Das deutsche Modell, wie auch die Modelle anderer Länder, muss sich permanent anpassen und dies wird nicht immer leicht sein. Dazu ist es wichtig, dass in Europa eine neue Generation von Anführern und Staatenlenkern heranreift, die den Willen haben, Reformen durchzusetzen, wie es der französische Präsident bereits zeigt.
Die neue deutsche Regierung steht somit vor einer großen Anzahl an Herausforderungen und Problemen, die gelöst werden müssen. Man wird sich nicht weiterhin damit begnügen können, ausschließlich auf Ereignisse zu reagieren. Deutschland muss lernen proaktiver zu handeln und seine bisherigen Ziele in den Bereichen Ökologie, Wirtschaft, Migration, Diplomatie und Verteidigung weiter auszuweiten. Es muss enger mit seinen Partnern zusammenzuarbeiten, um die neuen, ambitionierten Ziele zu erreichen.