Die Krise und ihre Haushaltszwänge haben die Abrüstung Europas noch verstärkt. Insgesamt machen die Europäer nicht mehr als 18 % der weltweiten Militärausgaben aus, vor zehn Jahren waren es noch 30 %. Inzwischen sind die Ausgaben weltweit um 65 % auf 1,750 Milliarden US-Dollar gestiegen. Europa gibt dabei lediglich ein Drittel dessen aus, was Amerika in seine Verteidigung investiert; und die Schwellenländer haben ihren Wettlauf um die Bewaffnung wieder verstärkt.
Die Abkehr Europas von der Rüstungsindustrie hat sicherlich dazu beigetragen, dass die Welt unsicherer geworden ist. Die Tür steht nun offen für einen „heimlichen Krieg“ (die kleinen grünen Männchen), für „eiskalte Konflikte“, die an unseren Grenzen zunehmen, und für Terrorismus, der zukünftig das westliche Supremat herausfordert.
Die Risiken waren bekannt, wurden aber weitgehend ignoriert. Die Bedrohungen sind da, sind zahlreich und werden stark unterschätzt.
Im Gegensatz zur eigenen Selbstwahrnehmung haben die Europäer von nun an Feinde. Es sind Feinde, die sie für schwach halten und die dazu anstacheln, die demokratischen Prinzipien und die Achtung der Person derer zu zerstören, die sich lange Zeit in Frieden für Sieger hielten.
Die zunehmenden Bedrohungen werden das bisher mangelhafte Engagement abbremsen und die Staaten dazu zwingen, zu reagieren und noch mehr gemeinsam zu handeln. Welche sind die europäischen Institutionen, die – bis hierher – nicht in der Lage waren, sich weiterzuentwickeln?
Der neue Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, will sich zurecht auf die Wiederbelebung der Wirtschaft konzentrieren. Aber die internationale Agenda könnte seine Prioritäten möglicherweise durcheinanderbringen– und er muss sich daran anpassen. Der beste Weg, dies zu tun, wäre, die Verteidigungsindustrie in seinem Plan zur Wiederbelebung miteinzubeziehen. Außerdem könnte er neue Finanzierungsmöglichkeiten für Sektoren, die zur Verteidigung beitragen, ermöglichen. Die meisten Spitzentechnologien sind dual, d.h. sowohl zivil als auch militärisch nutzbar. Den Brüsseler Riegel des „alles zivil“ im Bereich der Forschung zur Seite zur Schieben scheint eine wichtige Notwendigkeit zu sein. Außerdem wäre ein Zuwachs der europäischen Verteidigungsindustrien leistungsstark und erneute Investitionen zu ihren Gunsten könnten vermutlich schneller wirken als bei anderen.
Denn im Gegensatz zu den verbreiteten Ideen ist es nicht primär die Bündelung der militärischen Mittel, derer Europa bedarf. Es sind vielmehr langfristige Finanzierungsprogramme, wie sie alle Weltmächte umsetzen. Die gemeinsame Umsetzung wird außerdem schrittweise kommen. Im Unterschied zu dem, was viele glauben, brauchen wir – leider – noch immer effiziente Streitkräfte, die in der Lage sind, Konflikten von hoher Intensität entgegenzutreten – sei dies nun zu Meer, zu Land oder Luft. Immer professioneller werdende Piraterie und Schmuggel, die Ereignisse in Syrien und im Irak sowie die Situation in Afrika zeigen es uns heute. Und die schwelenden Auseinandersetzungen, die Russland an unseren Grenzen fördert, zeigen ihrerseits, dass es nicht genügt, sich Jagdflugzeuge, Leichtflugzeuge zur Aufklärung oder Spezialeinsatzkräfte anzuschaffen… Wir müssen also wieder zum Wortlaut des Lissaboner Vertrags zurückkehren, der die politische und demokratische Unfertigkeit der Union thematisiert. Er stimmt wie Monnet und Schuman darin überein, dass eine gemeinsame europäische Verteidigung ihren Anfang bei den Nationalstaaten nehmen muss. Außerdem bietet er den Mitgliedsstaaten an, zusammenzuarbeiten, wobei er besonders denjenigen mehr Aktivität nahelegt, die nichts mehr tun. Zu diesem Zweck muss die neue Europäische Kommission die Fehler der Vorgänger überwinden und ihren Ansatz dezidiert auf einen einheitlichen Markt der Verteidigungsgüter ausrichten, der ursprünglich von unseren großen Konkurrenten besetzt ist. Sie muss sich außerdem auf Aufforderungen konzentrieren, die sie denen entgegenbringt, die in bisher fehlende Forschung und Akquise militärische Ausrüstung investieren. Die Sicherheit Europas hängt davon ab.
Der Markt einer europäischen Verteidigung darf nicht wie die anderen behandelt werden, denn seine Klienten sind Staaten. Er muss somit daran ausgerichtet sein, was die anderen Großmächte tun und er erfordert eine zuverlässige, dauerhafte und häufig im voraus ermöglichte Finanzierung.
Es ist also eine wahre Revolution, der man die europäischen Institutionen unterwerfen muss. Wird Jean-Claude Juncker dazu in der Lage sein? Es wird für ihn die beste Lösung sein, auf ein echtes Bedürfnis nach Sicherheit zu reagieren und dabei schnelle Ergebnisse in den Bereichen Technologie, Wachstum und Arbeit vorweisen zu können. Denn hierauf werden die europäischen Bürger am stärksten reagieren. Alles ist bereit dafür. Eine Vielzahl von Studien hat die für unsere Sicherheit notwendigen Technologien herausgearbeitet. Auch mangelhafte Ausstattungen gewisser Streitkräfte sind nunmehr bekannt… Was bleibt ist der eigene freie Wille bevor er uns von den Ereignissen selbst auferlegt wird.