Statt sich mit den Ursachen für die ukrainische Krise zu beschäftigen, die nun zu einer russischen Krise geworden ist, sollten wir uns mit den Folgen für Europa beschäftigen.
Auf dem europäischen Kontinent hat ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in verschiedenen Punkten wiederholt die UN-Charta verletzt und sämtliche internationale Verträge, die es unterzeichnet hat, gebrochen (CFCE-OSCE, Europarat, CIS). Darüber hinaus wurde das Versprechen gegenüber der Ukraine gebrochen und gegen das Budapester Memorandum von 1994 verstoßen (Nukleare Abrüstung der Ukraine gegen Anerkennung der Grenzen), wie auch gegen den Freundschaftsvertrag von 1997. Dies ändert die Grundlage für viele Dinge.
Die Europäische Union hat nunmehr einen Nachbarn, der unvorhersehbar handelt und dessen Grenzen sie nicht in vollem Umfang anerkennt, ein Nachbar, der militärische Gewalt angewandt hat und weiterhin damit droht, diese anzuwenden und dies mit ziemlicher Sicherheit tun wird.
Die Union wollte mit Russland eine stabile und dauerhafte Zusammenarbeit erreichen, im Interesse beider Parteien, doch sieht sie sich nun einem Akteur gegenüber, dessen Ziel es ist, wieder eine Großmacht zu werden, wie dies in früheren Zeiten durch schreckliche Unterdrückung des eigenen Volkes durch kommunistische Diktatur der Fall war, trotz einer schwindenden Bevölkerung und einer politischen und sozialen Organisation, die die eigenen Bürger ins Exil treibt, wie auch das Kapital und große Vermögensmassen. Dieser Akteur hat zwei Mal innerhalb von sechs Jahren bewaffnete Streitkräfte eingesetzt. Dies stellt nachhaltig die Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik der Union in Frage.
Die ausgestreckte Hand, die die Union ihren Nachbarn entgegen streckte, die wiederum von den europäischen Freiheiten und ihrem Lebensstandard angezogen wurden, muss einer wirklichen Außenpolitik weichen, die Allianzen bevorzugt. Europa steht symbolisch für das Recht, die friedliche Regelung von Konflikten, für Multilateralismus und den Dialog, es hatte keine Feinde. Jetzt hat es einen. Nicht das russische Volk, sondern das Regime, das in Panik vor der Idee der Freiheit zurück schreckt und die alten Fäden des Nationalismus zieht. Jetzt muss es hierfür die Konsequenzen tragen.
Die Schaffung Europas als Anker für Stabilität und Wohlstand, Ziel der Gründungsväter, ist heute bedroht und ihre Verwirklichung bedarf neuer Anstrengungen.
Innenpolitisch steht 2014 für die Überwindung der Krise. Die in Not geratenen Mitgliedstaaten konnten den Weg zum Wachstum zurück finden, die europäische Wirtschaftssteuerung kann echte Fortschritte verzeichnen, wie die Einigung auf eine Bankenunion beweist. Der Vergleich mit den Schwellenländern, über denen sich der Himmel verdüstert, zeigt die Widerstandsfähigkeit der wirtschaftlichen Integration in Europa und die des Euro. Dieses Jahr könnte die Rückkehr zum wirtschaftlichen Aufschwung für Europa bedeuten, ein Jahr, in dem sämtliche europäischen Institutionen erneuert und neu besetzt werden und in dem ein Konsens erreicht werden konnte über die Reform der Abläufe und die Revision einiger Politikfelder.
Die Herausforderung kommt nun von außen. Die Europäer haben über Gebühr auf die „Friedensdividende“ gesetzt, bis zur Schwächung ihrer Außenpolitik. Mangels Fortschritten bei der gemeinsamen Verteidigungspolitik, die stets externe Interventionen bevorzugte, müssen die Europäer sich jetzt mit der Sicherung von Grenzen und ihrer europäischen Verbündeten beschäftigen. Europas NATO-Mitgliedschaft, die als einziges ihre Sicherheit garantiert, sollte sie nicht von einem autonomen Denken und einer autonomen Politik ablenken. Die Mitgliedsländer der Union sollten jetzt all ihre Kraft einsetzen, um eine wirkliche europäische Außenpolitik auf die Beine zu stellen, insbesondere an den Grenzen Europas. Die ersten Reaktionen bezeugen einen neuen Willen. Die Entschlossenheit im Hinblick auf jede neue Provokation wird entscheidend sein für die friedliche Zukunft des Kontinents. Die Europäer sollten jetzt gemeinsam entscheiden, die permanenten Mittelkürzungen für Sicherheit und Verteidigung zu stoppen und stattdessen ihre gemeinsame Diplomatie stärken.
Europa muss sich als vorderster Wirtschafts- und Handelsmacht der Welt bewusst sein, dass es „Nachbar der gesamten Welt ist“, das heißt, dass seine Interessen global und weltweit sind. Auf den Einsatz brutaler Gewalt kann nicht nur mit Dialog reagiert werden, die Diplomatie ist nur dann glaubwürdig, wenn sie sich auf einen festen Willen stützen kann, überzeugend durch starke militärische Mittel. Zur Garantie des Friedens.