Verteidigungsfragen sind zu wichtig, um darüber zu streiten. Das europäische Gipfeltreffen, das als Schwerpunkt dem Thema europäische Verteidigung gewidmet ist, muss somit objektiv und realistisch als gute Neuigkeit betrachtet werden.
Die unterschiedlichen Meinungen zu diesem Thema sind seit langem bekannt: Die Europäer teilen weder den gleichen Blick auf die Welt, noch die gleiche Grundhaltung in Bezug auf internationale Kampfeinsätze. Die Verteidigungsindustrie kann nicht nach allgemeinen Marktregeln organisiert werden und überall nach den gleichen Wettbewerbs- und Öffnungsregeln funktionieren. In diesem Markt gibt es nur Staaten als Kunden. Souveränität kann in diesem Bereich nur abgegeben werden, wenn eine stärkere gemeinsame Verteidigung garantiert werden kann und diese von demokratisch legitimierten Organen politisch verantwortet wird. Die traditionellen europäischen Institutionen sind hierfür nicht geeignet. Nur eine freiwillige Kooperation zwischen den Nationalstaaten scheint hierfür erfolgversprechend. Europa kann jedoch einen Beitrag zum Erfolg leisten. In einer Zeit der weltweiten Aufrüstung verfolgt dieser Kontinent eine Abrüstungspolitik, wobei die europaweiten Ausgaben für Verteidigung im weltweiten Vergleich noch immer den 2. Platz belegen.
Da momentan kein Feind in Sicht ist, denkt die Union, dass es auch in Zukunft keine Feinde mehr geben wird, wobei dieses Denken nicht wirklich dem entspricht, was die Geschichte uns lehrt.
Vor diesem Hintergrund sollten wir den Verteidigungsgipfel der Staats- und Regierungschefs zu schätzen wissen und ihn als das sehen, was er ist: ein entscheidender Fortschritt.
Der Europäische Auswärtige Dienst unter Leitung Catherine Ashtons, die Europäische Verteidigungsagentur und die Minister haben gut gearbeitet. Sie machen konkrete Vorschläge, die dazu führen könnten, dass einige Kapazitäten im Bereich Verteidigung vergemeinschaftet werden können, ohne den Spielraum der Mitgliedstaaten einzuschränken. Die Vorschläge könnten zudem zur Bereitstellung neuer Mittel für europäische Wissenschaft und Forschung führen, die der Sicherheit in Europa zugute kommen und zu Innovationen führen wird.
Was fehlt sind natürlich echte Ausrüstungsprogramme, langfristig finanziert, zur Unterstützung europäischer Technologie. Diese Programme hängen derzeit noch zu oft von der Eigeninitiative weniger Wirtschaftsakteure ab. Es muss auch weiter auf eine wirkliche neue europäische Strategie im Bereich Sicherheit und Verteidigung gewartet werden, insbesondere im Bereich Sicherheit auf hoher See. 90% des europäischen Handelsverkehrs, der größte weltweit, wird über den Seeweg abgewickelt. Der Großteil unserer zukünftigen Energie- und Rohstoffquellen lagert noch unberührt in der Tiefe. Es ist höchste Zeit, den sicheren und freien Zugang zu diesen Ressourcen zu gewährleisten, und dies nicht nur in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Eine umfassende europäische Meeresstrategie ist für April 2014 angekündigt. Sie ist dringend notwendig.
Auf dem Gipfel wird selbstverständlich auch über die Tagespolitik gesprochen werden. Die Welt hofft auf Europa in Bezug auf Lösungen für Syrien, den Iran, Afrika, die Ukraine und Russland. In dieser Hinsicht sind zwei Länder besonders hervorzuheben: Französische Soldaten engagieren sich in Afrika und Frankreich versucht, seine europäischen Partner davon zu überzeugen, dass ein Einsatz notwendig ist, wo unsere Interessen und Prinzipien betroffen sind. Frankreich sendet eine Botschaft aus, die Europa nicht ignorieren kann und Europa muss selbst seinen Einsatz verdoppeln, um seine Partner zu überzeugen.
Großbritannien steht allen europäischen Fortschritten im Bereich Verteidigung ablehnend gegenüber und setzt auf bilaterale Vereinbarungen, was Frankreich geschickt auszunutzen versteht, oder auf die NATO, die jedoch mit der neuen Ausrichtung der USA Richtung Asien zu kämpfen hat und der Zurücksetzung Afrikas und weiter entfernter Regionen.
Für den Europäischen Rat erhoffen wir uns einige bescheidene und pragmatische Entscheidungen. Allein die Tatsache, dass die Staats- und Regierungschefs sich zur Beratung dieser wichtigen Fragen treffen, ist ein Erfolg. Die einzige bedauernswerte Tatsache ist, dass solche Treffen nicht öfter stattfinden!