Frankreich ist in Mali, an der Elfenbeinküste sowie in Libyen eingeschritten. Es hat Truppen in die Zentralafrikanische Republik geschickt. Dies hat es in voller Souveränität getan, im Rahmen des internationalen Rechts, um eine bestimmte Konzeption der internationalen Ordnung zu verteidigen, für die es eine besondere Sensibilität besitzt aufgrund seiner Staatsangehörigen und seiner Interessen vor Ort.
Viele haben die Abwesenheit der Europäer bei diesen wichtigen Entscheidungen bedauert. Aber hätte es anders sein können? Menschen gewaltsamen Handlungen auszusetzen ist eine schwerwiegende Entscheidung, die nicht geteilt werden kann. Dies ist die aktuelle Situation, die höchstwahrscheinlich noch für lange Zeit andauern wird. Anstelle eines «Europas der Verteidigung», das es nicht gibt, sollte man sich lieber auf die Verträge selbst besinnen. Was auf europäischem Niveau umgesetzt werden kann, ist die «schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen kann» (Art. 24 EUV). Die Mitgliedsstaaten müssen überzeugt werden, dass Europa aufhören muss abzurüsten, dass es überzeugende militärische Mittel besitzen muss, da ohne diese keine wirksame Diplomatie möglich ist; dass die Idee aufgeben werden muss, dass eine europäische Kooperation weniger kostet und dass wir effektiver sein können, wenn wir die schwindenden Mittel teilen; dass die militärische Kooperation nicht im üblichen Rahmen der europäischen Gemeinschaft umgesetzt werden kann. Für die Aufwertung der europäischen Dimension im Bereich Verteidigung muss vor allem eine gemeinsame Finanzierung von Forschung und Entwicklung organisiert werden, die zunehmend zweiseitig geworden ist, sowohl zivil als auch militärisch. Die industrielle Kooperation sollte nur ausgehend von dem durch die wichtigsten Staaten klar identifizierten Kapazitätsbedarf gefördert werden und nur ausgehend von den Programmen, für die eine dauerhafte Finanzierung abgesichert ist. Das bedeutet auch, sich nicht in der Begründung einer komplett neuen Politik zu verheddern. Es muss akzeptiert werden, dass die Europäer momentan nicht das gleiche einheitliche Weltbild teilen und sie momentan nicht in der Lage sind, eine gemeinsame, ehrgeizige und glaubhafte Verteidigungsstragie zu entwickeln. Die verschiedenen Interessen müssen daher identifiziert werden, um ihnen gerecht werden zu können; sie können nicht durch ein nicht definiertes Gemeinschaftsinteresse ersetzt werden. Es liegt nicht im europäischen Interesse, die nationalen militärischen Mittel auf dem Altar einer noch nicht existierenden Gemeinschaftspolitik zu opfern. Die europäischen Interessen werden darüber hinaus auch nicht durch ausschließlich humanitäre oder zivile Missionen abgesichert.
Im Gegenteil, die Aufrechterhaltung glaubhafter Armeen, die fähig sind in der Ferne, dort wo unsere Interesse in Gefahr sind, militärisch einzuschreiten, ist unentbehrlich für ein Europa, das in der Welt Beachtung finden will. Vor allem Frankreich hat erneut mit einer anzuerkennenden Professionalität bewiesen, dass sich seine Verteidigung keinen Bereich des Spektrums militärischer Aktionen verbietet. Tatsächlich verhindert dies in keinster Weise eine europäische Kooperation, vielmehr ermöglicht sie es. Dies zeigt sich in Mali, wo europäische Interessen vom Terrorismus bedroht worden sind. Im Übrigen wünscht die französische Regierung, das «Europa der Verteidigung» wieder zu beleben und sein Verteidigungsminister ist diesbezüglich sehr engagiert.
Unterstützung kann vergemeinschaftet werden, die Entscheidung einzuschreiten muss jeder allein treffen. Es sei denn, es wird, um sich die Aufgaben aufzuteilen, ein Mitgliedsstaat beauftragt im Namen der anderen einzuschreiten … dessen Maßnahmen dann gemeinsam finanziert werden…
In diesem Zusammenhang sind, vor allem nach den brittischen Haushaltseinschnitten im Verteidigungssektor, die Entscheidungen, die in den folgenden Wochen im Hinblick auf das Loi de Programmation Militaire (mehrjähriges Verteidigungsfinanzierungsprogramm) getroffen werden, von besonderer Bedeutung für den gesamten Kontinent. Sie können das Ende einer «europäischen Verteidigung» einläuten oder, im Gegenteil, seine Wiederbelebung ermöglichen. In der Tat hat das Vereinigte Königreich, das zusammen mit Frankreich allein über eine komplette Armee verfügt, eine Sonderstellung in der europäischen Union und wollte nie ein Europa der Verteidigung. Frankreich hält damit, in gewisser Maßen das Schicksal einer gemeinsamen Verteidigunspolitik in der Hand, da es über eine starke Armee verfügt, von der auch seine europäischen Partner profitieren sowie mitunter deren Staatsangehörigen in den gefärdeten Regionen. Wenn es seine Garde angesichts der aktuellen Haushaltsschwierigkeiten verringert, bleiben nur noch wenige Mittel um die europäische Sache in diesem Bereich zu verteidigen und die Verträge zu respektieren : «Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.» (Art. 42 EUV). Alle, mit Ausnahme Polens, beschränken ihre Verteidigungsausgaben. Geteiltes Leid hat aber noch nie zur Begründung einer Politik getaugt!
Niemand zweifelt daran, dass es angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage besonders schwierig ist, diese Situation zu korrigieren und dass hierfür besonderes Engagement erforderlich ist. Aber es handelt sich dabei um eine Staatsaufgabe, die nicht von Europa wahrgenommen werden kann. Wenn Frankreich seinerseits abrüstet, wird Europa mit wahrscheinlich noch größeren Bedrohungen konfrontiert werden und die Hoffnung, eines Tage eine gemeinsame europäische Verteidigung zu begründen, Pfand für seine internationale Glaubwürdigkeit, rückt in weite Ferne.