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Europa: Warum die Krise weiter anhält

Zum Ende des Sommers beginnen erneut die nicht enden wollenden Treffen zur Rettung Europas aus der Krise.

Die Krise dauert an, da nur mit alten Rezepten, Zögerlichkeit und Rollenspielen auf sie reagiert wird.


Zu den alten Rezepten zählen die Vorschläge, die Vorgaben zur Haushaltssanierung aufzuweichen zugunsten höherer Ausgaben, obwohl jeder weiß, dass hierdurch die Probleme nur vergrößert werden, mit Ausnahme von Ausgaben für Zukunftsinvestitionen, die jedoch Geduld erfordern, die nicht sehr verbreitet ist. Die Krise hat bereits 11 europäische Regierungen das Amt gekostet und jeder versteht die Ungeduld. Das reiche Europa hat jedoch über seinen Verhältnissen gelebt und es wird die aktuelle Krise nur durch eine Neuordnung seiner Finanzen überwinden können.

Dies hält die Extremisten - rechtsextrem oder linksextrem - nicht davon ab, die aktuellen Schwierigkeiten zu ihren Gunsten zu nutzen und die Regierungen unter Druck zu setzen. So laufen die Niederlande Gefahr, noch weiter in die Hände von Populisten zu fallen, die sich von beiden Seiten in ihren Exzessen zu überbieten versuchen.


Mit Zögerlichkeit meine ich die halbherzigen Lösungsversuche, in der geheimen Hoffnung, dass die Anforderungen gesenkt werden können, während auf eine hypothetische Rückkehr des Wachstums gebaut wird.

Frankreich hat sich gegen eine Festschreibung der Schuldenbremse (der „goldenen Regel“) in die Verfassung entschieden, aufgrund einer speziellen juristischen Argumentation, die allein die Politik hervorbringen kann. Die wichtigsten Parteien der großen Demokratien in Europa sind sich zwar über den Kern der Politik einig, die jetzt verfolgt werden muss, allerdings stehen die Wahltermine der Umsetzung dieses Konsens im Weg. Dies ist bedauerlich, denn eine Umsetzung würde erlauben, offen die Wahrheit zu sagen und den Bürgern echte Perspektiven bieten im Gegenzug für temporäre Anstrengungen: Durch eine kontinuierliche Reform können Europa und der Euro gestärkt aus der Krise hervorgehen und in der Weltpolitik einen wichtigen Platz einnehmen. Der Hauptverlierer des zögerlichen Handelns ist der Aufbau der Europäischen Union, in der die Egoismen Oberhand gewinnen über den Willen zu Kooperation und Völkerverständigung.


Rollenspiele ? Die europäischen Regierungen streiten über den richtigen Weg aus der Krise, obwohl sie genau wissen, dass sie zum Konsens verdammt sind und sie finden im übrigen immer eine Einigung.

Die einzige föderale Institution der Union, die Europäische Zentralbank, verfolgt diesbezüglich eine pädagogische Politik, die sehr wirksam ist und die inzwischen offiziell von ihrem Präsidenten bestätigt wurde („Die Zeit“ vom 29. August 2012). Sobald die Regierungen bereit sind, Anstrengungen zu unternehmen und einen zusätzlichen Schritt in Richtung notwendige wirtschaftliche Integration gehen, hilft ihnen die Zentralbank in entscheidender Hinsicht.

Dies war der Fall für Griechenland, als die Regierungen den Europäischen Finanzstabilisierungsfonds schufen, der auch aufgrund der Situation in Irland und Portugal zur Bildung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) führte. Im Gegenzug für den Europäischen Fiskalpakt (Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion) hat die EZB ihr Refinanzierungsprogramm für Banken gestartet (LTRO) mit einem Umfang von 1000 Milliarden Euro. Ebenso wird die EZB Italien und Spanien helfen, deren Regierungen den Mut für ehrgeizige und schwierige Reformen aufbringen, von denen sicherlich die Reform des Arbeitsmarktes die schwierigste ist.


Die EZB wird die mutige Politik von Monti und Rajoy nicht durch Spekulation zerstören lassen. Denn dieses Rollenspiel strapaziert die empfindlichen Nerven der Finanzmärkte, es bringt jedoch die wirtschaftliche Integration und damit die Lösung der Krise voran, schneller als dies mit sämtlichen diplomatischen Konferenzen möglich wäre.

Es bringt somit nichts, endlos über den Austritt eines Landes aus dem Euro zu spekulieren oder über das Ende der gemeinsamen Währung. Sie ist integraler Bestandteil des strategischen Projekts der Befriedung des Kontinents und wird daher nicht in Frage gestellt werden.

Wir nähern uns jedoch dem Zeitpunkt, wo die Regierungen sich entscheiden müssen. Entweder gezwungen zu sein, eine langsame Integration fortzuführen oder die Leidenszeit zu verkürzen und einen wichtigen Schritt in Richtung politischer Union zu gehen, wie Angela Merkel dies bereits öffentlich gewünscht hat. Es geht nicht darum, unsere Souveränität aufzugeben, sondern darum, sie voll ausleben zu können, indem wir unsere wirtschaftlichen Regeln vergemeinschaften, wie dies in einer Währungsgemeinschaft unerlässlich ist.

Bankenunion, Haushaltsunion, Steuerunion sind somit die natürlichen Schritte, wobei einige Regierungen dies aus Angst vor Wahlniederlagen nicht zugeben möchten. Wir müssen sie ermutigen, indem wir sie daran erinnern, dass Untätigkeit der Garant für eine Niederlage und öffentliche Ablehnung ist. Mutiges Handeln ist gefragt!

Die Wahl ist einfach. Wenn so wie bisher weiter gemacht wird, wird die Krise länger dauern, bis durch unsere Anstrengungen neues Vertrauen in Europa und in den Euro entstehen kann. Diese Zeit wird kommen, jedoch erst nach schweren wirtschaftlichen und sozialen Schäden, die vermieden werden können. Indem wir einen Schnitt machen und einen Sprung in Richtung wirklicher europäischer Wirtschaftssteuerung für den Euro und indem wir die notwendigen Reformen voran bringen, sparen wir Zeit und wir schenken uns die sterilen Debatten, von denen uns das politische Frankreich anscheinend überzeugen will, dass sie auch heute noch möglich sind, nach einem Jahr Wahlkampf, der den Mangel an europäischem Leadership vor Augen geführt hat.

Wagen wir dennoch einen Blick in die Zukunft: Europa wird gestärkt aus der Krise hervor gehen. Es liegt an seinen Mitgliedsländern zu entscheiden, wie schnell dies geschehen wird.


 


 


 


 


 

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