Die Partei von Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich nicht mit leeren Phrasen begnügt. Der Beschluss enthält natürlich auch die bekannten Positionen Deutschlands, das seit Entstehung der Europäischen Union deren größter Beitragszahler ist. Die Zentralbank soll nach dem Inhalt des Beschlusses unabhängig bleiben, die Aufteilung der Schulden steht dem Geist der Verträge entgegen und es wird betont, dass es für die Wiederherstellung ausgeglichener Haushalte der Mitgliedstaaten in der Europäischen Union keine Alternative gibt.
Der Beschluss enthält jedoch darüber hinaus zukunftsweisende Passagen, deren Inhalte mit seiner Verabschiedung als allgemein anerkannt gelten können. Der EZB wird die Rolle eines letzten Rettungsankers eingeräumt, falls keine andere Lösung mehr möglich ist. Der Beschluss sieht ferner die Einrichtung eines Europäischen Währungsfonds vor, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und eine wirkliche Regulierung der Finanzmärkte.
Die Inhalte des Parteitagsbeschlusses weisen unverhohlen den Weg in Richtung Föderalismus und dies nicht nur auf ökonomischer Ebene. Die CDU spricht sich für die direkte Wahl des Kommissionspräsidenten durch die Bürger der Europäischen Union aus, ebenso für die Abbildung der demographischen Realität durch das Europäische Parlament und sie fordert für Parlament und Rat der Europäischen Union das Initiativrecht für die EU-Gesetzgebung, das bisher nur der Kommission zusteht. Bei all dem handelt es sich um eine demokratische Machtaufteilung innerhalb eines föderalen Systems.
Die im Beschluss festgehaltenen Positionen stehen für das europapolitische Engagement ganz Deutschlands, denn sie werden von der deutschen Sozialdemokratie geteilt. Sie widerlegen die vorschnellen Kommentare bezüglich der deutschen Politik und eröffnen neue Perspektiven. Deutschland ist bereit zum großen Sprung in Richtung Föderalismus, wenn sich Europa nur den elementarsten Grundsätzen der Demokratie verpflichtet. Ein Europäisches Parlament, wo jeder Unionsbürger gleich repräsentiert ist, hätte die volle Legitimität zur Schaffung neuer Gesetze. Eine gewählte europäische Exekutive würde anders handeln und müsste seiner Verantwortung den Wählern gegenüber gerecht werden.
Die im Beschluss enthaltenen Positionen erfordern rasche politische Antworten von Seiten der Partner Deutschlands, allen voran von Seiten Frankreichs. Es ist die Pflicht der deutsch-französischen Partnerschaft und der Staaten, die dazu bereit sind, den Integrationsprozess so schnell wie möglich voran zu bringen und dies auf demokratischem Wege zu tun, indem diese Vorschläge in allgemeinen Wahlen zur Abstimmung gestellt werden, wie zum Beispiel kommendes Frühjahr in Frankreich.
Dies ist das beste Mittel zur Beendigung der Vertrauenskrise, die das sich vereinigende Europa durchzieht. Durch die demokratische Beteiligung aller Völker am Einigungsprozess würden alle Zweifel hinsichtlich des Willens der Europäer, die Einigung des Kontinents zu vollenden, beseitigt und selbst die größten Euroskeptiker zum Schweigen gebracht. Dies wäre der Beweis, dass das geeinte Europa den ihm gebührenden Platz in der Welt einnehmen und sein Modell der sozialen, also gleichermaßen freien und solidarischen Marktwirtschaft, verteidigen wird, in dem Bewusstsein, dass sein Modell mit anderen im Wettstreit liegt. Wir könnten uns in der Folge wieder für die in unserer Geschichte einmalige Konstruktion begeistern, für diese freiwillige Annäherung der Völker, die unter Wahrung ihrer eigenen Identität entschieden haben, ihre Trümpfe zusammen zu führen, um eine Botschaft zu verkünden, auf die die Welt wartet.