fr en de
portrait

Wer bezahlt, bestimmt die Musik

José-Manuel Barroso hat Frankreich und Deutschland dafür kritisiert, dass sie die Entscheidungsgewalt bezüglich des Euro stärken wollen. Wenn er auch grundsätzlich Recht hat, eine supranationale Organisation zu fordern, die das Gemeinschaftsinteresse gemäß dem durch die Verträge erteilten Mandat vertritt, so liegt er diesmal mit seiner Kritik falsch. Ohne die deutsch-französische Partnerschaft wäre die Eurozone vielleicht schon explodiert. Es liegt sicherlich nicht an den Vorschlägen oder kreativen Ideen der aktuellen Kommission, dass es bisher nicht dazu gekommen ist. Manche Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass einige Aussagen der Kommission die Krise in diesem Sommer sogar verstärkt haben. Frankreich und Deutschland können aus vielerlei Gründen kritisiert werden, aber niemand kann abstreiten, dass beide Länder sich dem europäischen Projekt verpflichtet fühlen und nicht nur ihren momentanen nationalen Interessen.

Dies ist genau die Haltung, die oft fehlt. Einige Mitgliedsländer, die bei der Gründung der Union noch nicht dabei waren, scheinen vergessen zu haben, was das politische Projekt Europa ausmacht. Sie sehen in der Union nur eine Freihandelszone oder einen Selbstbedienungsschalter, an dem gute und schlechte Punkte verteilt werden mit dem jeweiligen Kredit, der dazugehört. Aus diesem Blickwinkel muss die Erweiterungspolitik mit ihren nunmehr obsoleten Kopenhagener Kriterien völlig neu überdacht werden. Wir können innerhalb der Union nur solche Staaten akzeptieren, die a priori als Endpunkt die politische Integration Europas anerkennen, ihre gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik, ihre Haushalts- und Steuerbeschlüsse und die sich daraus ergebende begrenzte Aufgabe der eigenen Souveränität. Wenn der Integrationsprozess nicht voran geht, liegt dies vor allem daran, dass einige Staaten sehr auf ihrem eigenen Steuersystem beharren, was in einer Zollunion oft ungerechte Auswirkungen hat, ebenso wie auf ihren Haushalten, die zu große Unterschiede für eine Wirtschaftsunion aufweisen und auf ihrer Außenpolitik, der es an Ambition mangelt.

Es sind gerade Deutschland und Frankreich, die beiden Länder, die am meisten für in Schwierigkeiten geratene Mitgliedsländer zahlen, die am 16. August entschieden haben, ab 2013 eine gemeinsame Unternehmenssteuer einzuführen. Sie könnten noch weiter gehen in Richtung Angleichung der Mehrwertsteuer und der Lohnsteuer, aber sie befinden sich schon auf dem einzig richtigen Weg zu einer wirklichen politischen Union. Es kann nämlich keinen gemeinsamen Markt geben ohne ein harmonisiertes Steuersystem, es kann keine gemeinsame Währung geben ohne eine abgestimmte Haushaltspolitik und die entsprechende Haushaltsdisziplin, es kann keine Vergemeinschaftung der Schulden geben ohne eine gemeinsame Umsetzung der Gegenmaßnahmen. Genauso wenig kann es Eurobonds geben ohne wirkliches Vertrauen in die Institution, die sie verwalten wird. 

Aus diesem Grund muss Frankreich und Deutschland dafür gedankt werden, dass sie entschlossen gehandelt haben und dass sie weiterhin jederzeit für andere, die sich ihnen anschließen wollten, offen waren. Ansonsten würde die alte Weisheit gelten: „Wer bezahlt, bestimmt die Musik“. 
signature