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Die Zeit der Seriosität

Leidenschaften sind legitim, oft verständlich und selten produktiv.

Sie dürfen die bevorstehenden Europawahlen nicht in Geiselhaft nehmen.

Alle Demokratien werden durch den Ausdruck brutalen Zorns destabilisiert, und Europa, eines der ältesten Territorien, in denen Demokratien existieren, ist davon nicht ausgenommen.

Überall auf dem Kontinent sind gewalttätige, oft widersprüchliche Forderungen auf dem Vormarsch, die zunächst national und immer zerstörerisch sind. Das Zeitalter der großen Veränderungen ist auch das Zeitalter der Irrationalität, welches den Verschwörungstheoretikern in die Hände spielt, da es so viele Lügen zulässt, und diese Verschwörungstheoretiker mit den Ängsten und der Spaltung spielen.

Die Vereinigung Europas ist ein Konstrukt der Vernunft, das den Nationen das Überleben ihrer Identität in einer größeren Welt garantieren soll. Europa ist zerbrechlich und verletzlich, weil die Union unvollkommen und unfertig ist. Sie verträgt sich schlecht mit Simplizismus und Demagogie und hat daher Mühe, sich zu verteidigen. Sie kann nur mit Abstand und über einen längeren Zeitraum hinweg beurteilt werden.

Man kann die europäische Politik und ihre Unzulänglichkeiten kritisieren, aber man muss ihre Errungenschaften anerkennen, allen voran ihre Existenz selbst. Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union wird kaum noch in Frage gestellt.

Für diejenigen, die das Glück haben, ein Wahlrecht zu besitzen, ist es daher wichtig, es zunächst auszuüben und dann mit Bedacht zu wählen. Ein Desinteresse wäre Fahnenflucht und die Instrumentalisierung eine schlechte Tat.

Wenn man wählen geht, muss man sich zunächst fragen, wozu das Ganze dient: In diesem Fall zur Bestimmung von Vertretern, denen man das Recht überträgt, über unsere Zukunft zu entscheiden.

In Europa nimmt das Europäische Parlament zunehmend an der Ausarbeitung gemeinsamer Gesetze teil. Dank seiner Legitimität durch das Volk gewinnt es an Einfluss und sieht seine Kompetenzen mit jeder Wahl wachsen. Seine Zusammensetzung wird bei der Gestaltung der Zukunft eine große Rolle spielen und die Wahl seiner Mitglieder wird immer wichtiger.

Die bevorstehende Wahl ist also nicht zunächst eine Möglichkeit, seinen Zorn zu äußern, sondern stellt eine Wahl von Personen dar, die in der Lage sind, die Wähler zu vertreten und zu entscheiden, und das erfordert reifliche Überlegung.

Noch mehr als bei einer nationalen Wahl ist es eine Entscheidung mit quasi-kontinentalem Charakter, die man nicht auf ein einzelnes individuelles oder nationales Interesse reduzieren kann, ohne sich die europäischen Folgen vorzustellen.

Es ist dringender denn je, an die Wahlurnen zu gehen. Die Demokratie verschleißt, wenn man sie nicht nutzt!

Es ist notwendiger denn je, dies ernsthaft und mit der Weisheit zu tun, die erforderlich ist und die untrennbar mit der Freiheit des Wählers verbunden ist.



 




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